Geschichte

Über 50 Jahre Hafenbar – Berlins älteste Diskothek

Der Name „Hafenbar“ steht seit 50 Jahren für Feierkultur in Berlins Mitte. Seit 5 Dekaden also knarzen nun die alten Original Schiffsplanken unter den Holzbeinen von drei Generationen Tanzpiraten. Kaum an Bord geht man auf eine lange Zeitreise gehen. Zwischen Fischernetzen, beleuchteten Bullaugen und alten Weltkarten weht immer noch der Duft des Abenteuers auf hoher See. Seit die Hafenbar ins Berliner Nachtleben ablegte, herrschte stets hoher Wellengang rund um den kultigen Partykutter.

Original-Logo

Das Original-Logo

Kapitän Klaus

Die Geschichte der Hafenbar steht und fällt mit ihrem ehemaligen Kapitän Klaus Zagermann.
1957 heuerte der in Ost-Berlin in der bekannten Tanzbar „Clou“ als Lehrling an. Da konnte er noch nicht wissen, dass das „Clou“ in der Chausseestraße einmal „Hafenbar“ heißen – und er dort das Ruder übernehmen sollte.

Der Führungswechsel  vollzog sich 10 Jahre später, als man für das „Clou“ ein neues Konzept suchte. Vorgabe der HO-Führung: Maritim sollte es sein! Denn die frisch eingemauerte DDR wollte sich damals weltoffen geben. Kapitän Zagermann  ließ „Klar Schiff“ machen und verwandelte das ehemalige „Clou“ in einen Hafen voller maritimer Erlebnisse.

Zagermann „Natürlich mussten wir improvisieren. Weil wir kein Material für eine Holzvertäfelung unter der Decke hatten, haben wir uns für ein Fischernetz entschieden“.  Eine Mitarbeiterin der Rostocker HO entwarf das heute noch genutzte Logo der „Hafenbarbar“ in Form eines Papierschiffchens. Es war damals auch geplant neue Bar-Hocker aus alten Ankern zu bauen. Das wurde wegen der Gästesicherheit dann aber doch gekippt. Sattdessen baumeln bis heute die legendären Schiffsschaukeln an der Bar von der Decke. Und der Bananendampfer „Theodor Storm“ hatte den Auftrag nach seinen Ausfahrten den neuen Club in der Hauptstadt mit diversen maritimen Mitbringseln zu unterstützen.

Der Vergnügungsdampfer sticht in See

Die damaligen Attraktionen der frisch im November 1967 eröffneten „Hafenbar“ waren dann auch wirklich eine Reise wert. Ausgefallene Cocktails und Veranstaltungen mit den abenteuerlichen Namen Piratenfest oder  Seemannsabend lockten Heerscharen von Gästen an. Aquarien mit exotischen Fischen und eine Grillbar bildeten einen echten neuen Höhepunkt in der Hauptstadt-Gastronomie.

Nixenball

Nixenball

Besonders beliebt war jeden Montag auch der „Nixenball“. Das Besondere hier: Damenwahl und extrem viele liebeshungrige Maurer, die am Aufbau Ost-Berlins mitwirkten. Denn seitens der Arbeit war Montag frei, doch zu Hause bei Mutti wurde er dennoch gern als Arbeitstag verkauft, um dann derbe zu feiern.

Als Tanzbar mit „Live Musik“ wurde das Etablissement schnell bekannt. Mancher ging seine ersten Schritte auf dem Deck der „Hafenbar“. Heinz Drähn, Horst Wiemere und Gustav Müller von der „Distel“ sorgten für „Berliner Amüsemang“. Johnny Hill, Rex Gildo, Brit Kersten, Andreas Holm und Rosemarie Ambe für die gute Stimmung. Und die Damen vom nahen Friedrichstadtpalast zeigten oft ihre langen Beine.

Der richtige Rhythmus kam von Kapellen wie der „Silbercombo“ oder dem „Nonchev Trio“. Joro Gogow, der Geiger des Trios – später berühmt für sein Geigenspiel in City’s „Am Fenster“ – fand auch in der „Hafenbar“ sein erstes Publikum. Besonders bekannt wurde der Club durch die Rundfunksendung „Hafenkonzert“. Eine Sendung der „Stimme der DDR“, die in der „Hafenbar“ in Ost-Berlin aufgezeichnet wurde.

Balkan Beats und der kalte Krieg

Wenn heute von Balkan Beats gesprochen wird, sollte auch die „Hafenbar“ erwähnt werden. Denn in den Sechzigern und Siebzigern war vor allem auch Musik des damaligen Ostblocks in der „Hafenbar“ präsent.

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Zagermann: „Es war gerade REW-Minstertagung in der Stadt und als die tschechische Kapelle mitbekam, daß ein tschechischer Minister unter den Gästen war, warfen sie alles unnötige musikalische über Bord und spielten den ganzen Abend nur tschechische Volkslieder – sehr zum unwohl der anderen Gäste“. Die „Hafenbar“ gehörte zur Protokollstrecke des Ministerrates und somit zum offiziellen Staatsprogramm. Als sich der bulgarische Staatspräsident Todor Schivkov  ankündigte, wunderte sich Zagermann über die plötzliche Verdopplung seines Personals. „Zu jedem Koch den wir hatten, gab es auf einmal einen weiteren von der Staatsicherheit, die haben dann aber eher ihr eigens Süppchen gekocht“ erinnert sich Zagermann. „Meinen eigenen Stasimitarbeiter kannte ich  lange nicht“, so Zagermann. „Erst als einem unserer Stammgäste an der Garderobe die Pistole aus der Jackentasche fiel, wusste ich wer  mein Ansprechpartner war.“

So sehr man sich auch anstrengte  –  eine richtige Spelunke mit Agentengeschichten wurde die „Hafenbar“ nur in Erzählungen. Nicht ganz unschuldig daran war sicherlich auch die Fernsehserie „Blaulicht“, von der einige Folgen in der Hafenbar gedreht wurden.  Neben solchen Räuberpistolen lief in der „Hafenbar“ eigentlich ansonsten der Betrieb normal: „Wenn es an der Tür Probleme gab, half einer der Musiker aus, bis manchmal von einer Fünfer-Kapelle nur noch einer auf der Bühne stand.“

Kurs Ost-West

Als 1989 die Wende über die Hafenbar schwappte, merkte man dieses zuerst daran, dass am Tag der Maueröffnung kein Personal zum Dienst erschien. „Als ich dann im Westfernsehen die Bilder sah, habe ich mich mit einer verbliebenen Mitarbeiterin unten an die Tür gestellt und haben aus der Eingangstür den Sekt flaschenweise verkauft, das ging ein paar Tage so“, erzählt Klaus Zagermann“.  Nach den ersten heißen Monaten legte sich die Euphorie wieder und mit dem Zusammenbruch der DDR war Klaus Zagermann herausgefordert die Segel für ein „neues Nachtleben“ zu setzen. Er pachtete die „Hafenbar“ vom „neuen alten Besitzer“, einem reichen Geschäftsmann aus New York, der das Objekt durch Rückübertragungsansprüche erhalten hatte. Im Zuge der neuen Zeit wurde über Nacht die Stromzufuhr gekappt und Zagermann fand eines Morgens die Aquarien mit kaltem Wasser und toten Fischen vor. Neben den Aquarien musste auch dMitte der 90’er die Hälfte der Fläche geopfert werden, die nun zum Nebenhaus mit neuem Besitzer gehörte – so strab zum Beispiel die „Grillbar“ und die Toiletten wurden ein Stockwerk höher verlegt.

Aus den Live-Kapellen wurden Diskotheker (oder DJ’s wie man im Westen sagte) und eine zeitlang versuchte es man auch mit Striptease – zu Ostzeiten absolut undenkbar. Unter dem umtriebigen West -Partyvolk wurde die „Hafenbar“ schnell als Unikat bekannt. Parties des Stadtmagazins „PRINZ“ und Easy-Listening Abende mit dem „Hammond Inferno“ wurden zwar stadtbekannt, aber lieferten keinen längerfristigen Erfolg.

Stimmen in Aspik und Stimmungsfaktor 312

1996 sollte sich der Wind drehen: Die “Stimmen in Aspik und ihre ganze Welt des deutschen Schlagers” ka(s)perten die Hafenbarbar. Radio Eins Moderator Stefan Rupp und Fabian Böckhoff  loteten nach zwei erfolgreichen “Stimmen in Aspik-Parties” im Berliner 90° die „Hafenbar“ als neuen Ort für ihre Schlagerparty aus.

Klaus Zagermann, Fabian Böckhoff, Stefan Rupp

Klaus Zagermann, Fabian Böckhoff, Stefan Rupp

Seit März 1996 heisst es immer freitags pünktlich um 21 Uhr „Leinen Los“ und das Clubschiff wird zum Treffpunkt zahlreicher singender Nixen und Matrosen. Während so manch anderer Seestern im Berliner Nachtleben erst um 01.00 Uhr an Deck auftaucht, ist bei der Hafenbar da schon lange Hochbetrieb. Dazu wie in alten Tagen meist eine Schlange am Pier. Ein Stimmungsmeer wogender Hände und zarter Stimmchen ist wieder zum Markenzeichen der Hafenbar geworden. Das Partyvolk tanzt zu den Klängen von DJ Liebesspieler, Claire Grube, Engel Bert, Flora Soft, Lars Vegas und Supa Sushi. DJ’s, die im richtigen Leben als Hockeytrainer, Frisör, Krankenschwester und Erzieherin arbeiten. Und es gibt natürlich auch noch Helga, die Seele der “Hafenbar” – sie ist Deutschlands Toilettenfrau  des Jahres 2002 geworden!

Neue Leuchttürme

Aufgrund des Grundstückverkaufs in der Chaussestr. 20 musste der gastronomische Betrieb der Hafenbar im Mai 2016 an der Alexanderplatz umziehen. In einer Nacht und Nebel Aktion nach der letzten Party am 14.5.2016 in der alten Hafenbar entzurrten die Mitarbeiter das legendäre Fischernetz  und montierten die Bullaugen ab. Drei Wochen später erstahlte alles am neuen Ort in der Karl Liebknecht Str. 11 mit unverbautem Blick auf den Fernseh…ähhh Leuchtturm.

Sonderartikel Berliner Morgenpost zum 40 jährigen Jubiläum der Hafenbar

Sonderartikel Berliner Zeitung zum 40’zigsten Geburtstag der Hafenbar